Eine Kunstbegegnung auf den von Kindern und Jugendlichen selbst gemachten Erfahrungen aufzubauen, ist das zentrale Anliegen der von mir entwickelten Methode der erfahrungsverankerten Rezeption. Indem vor der Rezeption eine bildnerische Praxis stattfindet, können Ideen und Vorstellungen selbständig und individuell entwickelt und in Bilder übersetzt werden. Bei der erfahrungsverankerten Vermittlung basiert die Rezeption auf einer Schnittmenge zwischen eigenen Handlungen im bildnerischen oder darstellenden Prozess und zentralen Aspekten des Werks. Solche Referenzpunkte zwischen der Produktion und der Rezeption können im Material, im Thema, in der Gattung, im bildnerischen Verfahren oder in einer künstlerischen Strategie ausfindig gemacht werden. Sie dienen dazu, Einsichten, Einstellungen, Kenntnisse und Wissen aus der Produktion in die Rezeption zu überführen. Somit ist die Methode der erfahrungsverankerten Rezeption gleichermaßen für die Vermittlung historischer wie für zeitgenössischer Kunst geeignet.
Anhand der Unterrichtsskizze zum Selbstporträt unten lässt sich exemplarisch nachvollziehen, wie der Aufbau einer Sequenz gelingt. Nach der eigenen bildnerischen Praxis zum Selbstporträt und ihrer Besprechung im Gremium erfolgt die Rezeption eines Kunstwerkes. Ausgesucht sind Abeiten der Künstlerin Maria Lassnig. Der erste Zugang zum Werk erfolgt über den Referenzpunkt des Selbstporträts. Im Zuge der Besprechung werden darauf aufbauend das Sujet geklärt, Informationen zum Künstler gegeben und interpretative Ansätze erstellt. Weitere Selbstporträts festigen den Sujetbegriff des Stilllebens. In einer abschließenden Präsentation fließen Elemente der Produktion und der Rezeption zusammen.
Es werden nachfolgend einige Sequenzschemata notiert, die jeweils einem anderen Schwerpunkt verfolgen. Sie sollen als einfache Planungshilfe dienen und Leitplanken für den Kunstunterricht darstellen. Es wird erwartet, dass sich die Dauer und Intensität der jeweiligen Phase dynamisch an die jeweilige Situation anpassen.
Immer ist wichtig, dass mit dem Fokus auf einem Aspekt die bildnerische Freiheit in allen anderen Bereichen einhergeht. Wird also eine Technik eingeführt, kann das Motiv so frei bleiben, wie es eben diese Technik erlaubt. Es kann sich nach den Vorlieben der Schülerinnen und Schüler richten. Umgekehrt gilt, dass zur Einführung etwa eines Stilllebens die Entscheidung für die bildnerische Technik weitgehend dem Kind/ Jugendlichen überlassen werden kann. Bekannte Verfahren können meist selbständig angewandt werden.
Zur Verzahnung einer ästhetischen Praxis mit der Rezeption folgt auf produktive Phase die Rezeption. In der abschließenden Präsentation fließen Ergebnisse und Dokumentationen beider Phasen zusammen.
Nachfolgend sind drei Orientierungsschemata nach nach den Schnittstellen/ Referenzpunkten
- Motiv I Thema I Sujet
- Technik
- Material
aufgeführt. Sie sind als Strukturhilfe gedacht, können in ihren Binnendifferenzierungen nach Bedarf angepasst werden. Wichtig ist, dass die methodische Grundreihenfolge, von der bildnerischen Produktion zur Rezeption zu gelangen, erhalten bleibt.



Nachfolgend finden Sie zwei Unterrichtsbeispiele zur erfahrungsverankerten Rezeption, die als Impuls für die eigene unterrichtliche Gestaltung wie zur Illustration der Methode dienen mögen:
> Unterrichtsbeispiel
Erfahrungsverankerte Rezeption von Maria Lassnigs >Selbstporträt mit Affen<
> Unterrichtsbeispiel
Erfahrungsverankerte Rezeption von Alberto Giacomettis >Le Chien<
> Unterrichtsbeispiel
Erfahrungsverankerte Rezeption von Vincent van Goghs >Weiße Hütten bei Saintes-Maries<
Buchtipp:
Reuter, Oliver M.: Erfahrungsverankerte Rezeption. München 2020