Hier gehts zu Ideen, Material im Unterricht herzustellen oder einzusetzen… [Link]
Material
Der Materialbegriff
In der kunstpädagogischen Literatur existieren zahlreiche Differenzierungen, wie sich Material einteilen lässt. Die Unterkategorien konkreten, greifbaren Materials überschneiden sich:
- Unbearbeitetes Material [Stein, Holzstamm, Lehm, …]
- Natürliches Material [Äste, Blumen, Sand, …]
- Künstliches Material [Schaumstoff, Styropor, Kunststoffe, …]
- Organisches Material [Wolle, Blätter, Holz, …]
- Anorganisches Material [Kies, Ocker, Terra di Siena, …]
- Gerettetes Material [Altpapier, Verpackungen, Korken, …]
- Alltagsmaterial [Wasserfarben, Kreiden, Wachsmalstifte, …]
- Wertvolles Material [Gold, ausgesuchte Pigmente, Silber, …]
- Objekte als Material [Trichter, Töpfe, Bücher, …]
- Selbst herstellbares Material [Knete, Salzteig, Papier, …]
Es wird deutlich, dass manche Einteilung auf der Art und Weise ihrer Verwendung und Präsenz im Alltag erfolgt. Wachsmalstifte oder Wasserfarben und Papier sind durch deren Gebrauch im Kunstunterricht selbstverständliches Material ästhetischer Praxis. Weggeworfenes aus der alltäglichen Nutzung kann zu Material in ästhetischer Praxis werden. Es können ausgesonderte Objekte wie Korken zum Bauen schwimmbarer Objekte verwendet werden.
Andere Einordnungen erfolgen auf Grund Originalität der Verwendung im Kunstunterricht. So werden Gegenstände wie Trichter, Töpfe etc. durch deren Verwendung als Material im Zuge einer ästhetischen Praxis zu Material.
Erweiterter Materialbegriff
Interessant ist die Expansion des Materialbegriffs um Körper, Räume, Sprache, Töne und Klänge. Im szenischen Spiel wie in performativen Prozessen können diese Elemente als Material eingesetzt werden. Die Beziehung des Körpers zum Raum ist dabei mehrdimensional. Raum setzt die Möglichkeiten der Bewegung und ist als Widerpart mit den Grenzen, die er bietet, sehr wichtig für den Einsatz des Körpers als Material. Mit den akustischen Mitteln werden die Ausdrucksmittel in prozessualer ästhetischer Praxis erweitert.
Im Kunstunterricht kommt es inzwischen häufig zur Nutzung digitalen Materials. Digital vorliegende Fotos und Filme, die selbst erstellt oder als Download werden beim Bearbeiten, Collagieren oder Schneiden zu Material. Es liegt nur noch in Form von Daten vor, kann letztlich nur durch Ausdruck [auf Papier oder als 3-D-Druck] in einen greifbaren Zustand überführt werden.
Eine darüber deutlich hinausgehende Idee eines erweiterten Materialbegriffs führt auch Gedanken, Ideen und Konzepte als Material auf. Die Erweiterung um geistige Prozesse ist sinnvoll, macht sie doch das Plastische als Eigenschaft des Denkens, des Imaginierens, des Fantasierens etc. deutlich. Zudem wir klar, dass nicht jede Erscheinungsform ästhetischer Praxis sichtbarer und greifbarer Natur ist.
Funktionen des Materials
Der handelnde Umgang mit Material im Rahmen ästhetischer Praxis erfüllt verschiedene Funktionen:
– Aufforderungscharakter/ Valenz
– Dialog
– Soziale Funktion
– Widerstand
– Medium
– Objekt der Wahrnehmung
Aufforderungscharakter/ Valenz
Material kann zum Handeln animieren. Im Raum zwischen Akteur und Material besitzen Materialien einen unterschiedlich hohen Aufforderungscharakter. Die so genannte subjektive Valenz ist individuell angelegt. Manches Kind wird von keramischer Masse geradezu zum Handeln damit verführt, andere können dem Umgang mit diesem Material nichts abgewinnen und meiden es.
Besteht ein Aufforderungscharakter, der jedes Kind/ jeden Jugendlichen zu gleichen oder ähnlichen Handlungen mit diesem Material auffordert, besitzt das Material eine objektive Valenz. Wasserfarben besitzen beispielsweise eine objektive Valenz, da sie im Grunde jeden anregt, mit einem feuchten Pinsel mit kreisförmigen Bewegungen Farbe anzurühren.
Dialog
Von der dialogischen Funktion des Materials spricht man, wenn das Kind oder der Jugendliche auf sich ergebende Veränderungen im Material eingeht. Sehr gut darstellbar wird es beim Arbeiten mit plastischem Material. Wird an einer Stelle zu viel Druck ausgeübt, ergibt sich eine neue Form. Diese kann aufgegriffen werden und sich zu einer neuen Darstellungsintention führen.
Im Experimentieren spielt die dialogische Funktion eine zentrale Rolle. Es ist vom aufmerksamen Wahrnehmen der Materialeigenschaften und der Reaktion auf diese geprägt. Auf diese Weise werden Informationen zu Materialeigenschaften und Materialverhalten in der experimentierenden Bearbeitung gewonnen. Zudem kann sich im Dialog mit dem Material eine Darstellungsabsicht entwickeln.
Bei Schülerinnen und Schüler muss eine Offenheit gegenüber sich ergebenden Prozessen gegeben sein. Aber Neugierde und Interesse gewährleisten die offen Art im Umgang mit Material. Im Kunstunterricht müssen die Möglichkeiten und Zeitfenster eingeräumt werden, sich auf Material und seine dialogische Funktion einzulassen.
Soziale Funktion
Das Arbeiten mit Material führt vor allen Dingen durch die dialogische Funktion und das damit verbundene Entwickeln von Darstellungsabsichten zu einem Mitteilungsbedürfnis unter den Kindern/ Jugendlichen. Neue Entdeckungen und Wahrgenommenes wird miteinander kommuniziert, Ansichten werden dargestellt und wenn nötig verteidigt. Verschiedene soziale Situationen laufen zudem ab, wenn mehrere Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit oder an einem Material arbeiten.
Materialwiderstand
Die Konsistenz eines Materials bestimmt den Widerstand, den es bei dessen Bearbeitung zu überwinden gilt. Je fester ein Material ist, umso eher benötigt man ein Werkzeug zur Formgebung. Ein notwendig werdender höherer Energieaufwand kann zu einer größeren Aktivität führen, aber auch zu Passivität sowie zur Ablehnung des Materials. Gelingt die Bearbeitung bei höherem Einsatz, kann dieser zu einer positiven Selbstwahrnehmung führen. >Ich habe es geschafft…< wird zum bejahenden Bestandteil des Selbstkonzepts.
Medium
Bei ästhetischer Praxis kann es sich um einen fast komplett intentionalen Akt handeln. Dann wird die Bildvorstellung planvoll umgesetzt. Es kann sich aber auch erst im Dialog mit dem Material eine Gestaltungsabsicht konturieren. In beiden Fällen artikuliert sich die Bildintention am Material, das Material fungiert als Medium zwischen Intention und Bild.
Objekt der Wahrnehmung
Material kann verschiedene Oberflächen, Temperaturen sowie Konsistenzen haben. Im handelnden Umgang koppelt der Akteur sein Handeln mit der entsprechenden Wahrnehmung und erfährt so die Eigenschaften des Materials. In Form kodierter Informationen werden die Sinneseindrücke zu Repräsentationen, die in nachfolgenden Handlungen erneut abgerufen werden können. Darüber hinaus stellt die Wahrnehmung die Basis der Entstehung kindlicher Welten dar.
Durch die permanente Wahrnehmung von Material im Zuge ästhetischer Praxis setzt sich ein Kind/ ein Jugendlicher in Bezug zu dieser Umwelt und schafft somit eine spezifische Form der Selbstwahrnehmung.
Experimentieren mit Material (GS)
Das kindliche Experimentieren mit Materialien ist eine natürliche Neugierde und ein wichtiger Teil des Lernprozesses. Kinder nutzen ihre Sinne, um die Eigenschaften und Möglichkeiten von Materialien zu erkunden. Hier sind einige Erkenntnisse darüber, wie Kinder experimentieren:
Das Experimentieren mit Materialien hat einen hohen Wert für Schülerinnen und Schüler, da es ihre kreative, kognitive und persönliche Entwicklung fördert. Hier sind einige der zentralen Werte und Nutzen des Experimentierens mit Materialien durch Schülerinnen und Schüler:
- Sensorische Erfahrung: Kinder erforschen Materialien durch Berührung, Sehen, Hören, Riechen und manchmal sogar Geschmack. Sie spüren unterschiedliche Texturen, erkennen Farben und Formen, hören Klänge, wenn Materialien aufeinandertreffen, und nehmen Gerüche wahr. Diese sensorische Erfahrung hilft Kindern, die Welt um sie herum zu verstehen.
- Entdeckendes Lernen: Das Experimentieren mit Materialien ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, durch eigenes Erkunden und Ausprobieren zu lernen. Sie können verschiedene Materialien, Werkzeuge und Techniken erforschen und dabei ihre eigenen Entdeckungen machen. Dies fördert ein aktives und selbstgesteuertes Lernen.
- Problemlösungsfähigkeiten: Das Experimentieren mit Materialien erfordert kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten. Die Schülerinnen und Schüler müssen Entscheidungen treffen, wie sie Materialien kombinieren, strukturieren oder verändern, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Dabei lernen sie, alternative Lösungswege zu finden und mit Herausforderungen umzugehen.
- Lernen durch Fehler: Experimentieren ermöglicht es Kindern, aus Fehlern zu lernen. Wenn ihre Versuche nicht den gewünschten Effekt haben, können sie ihre Herangehensweise anpassen, alternative Strategien entwickeln und ihre Lösungswege verbessern. Dies fördert ihr kritisches Denken und ihre Problemlösungsfähigkeiten.
- Wissenserweiterung: Das Experimentieren mit Materialien erweitert das Wissen der Kinder über die physikalischen Eigenschaften von Stoffen, ihre Eigenschaften und Verhaltensweisen. Sie lernen beispielsweise, dass Wasser flüssig ist, Sand trocken und dass bestimmte Materialien schwimmen oder sinken. Dieses experimentelle Wissen bildet die Grundlage für ihr Verständnis der Welt um sie herum.
- Ursache-Wirkungs-Beziehung: Durch Experimente mit Materialien lernen Kinder über Ursache und Wirkung. Sie entdecken, wie sich bestimmte Aktionen oder Manipulationen auf das Material auswirken. Zum Beispiel erkennen sie, dass das Drücken eines Gummiballs zu einer Verformung führt oder das Umkippen eines Bechers dazu führt, dass Flüssigkeit verschüttet wird. Diese Erfahrungen helfen Kindern, grundlegende physikalische Konzepte zu entwickeln.
- Konstruktives Denken: Beim Experimentieren mit Materialien nutzen Kinder ihr konstruktives Denken, um zu sehen, was passiert, wenn sie verschiedene Materialien kombinieren, trennen, stapeln oder formen. Sie entwickeln ihre Vorstellungskraft und Kreativität, indem sie neue Möglichkeiten erkunden und Lösungen für Probleme finden.
- Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen: Das Experimentieren mit Materialien fördert das Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen der Schülerinnen und Schüler. Wenn sie ihre eigenen Ideen umsetzen und kreativen Problemen begegnen, können sie Erfolgserlebnisse erleben und ein Gefühl der Selbstwirksamkeit entwickeln.
- Teamarbeit und Zusammenarbeit: Das Experimentieren mit Materialien kann auch in Gruppenarbeit und kooperativen Projekten stattfinden. Dabei lernen die Schülerinnen und Schüler, zusammenzuarbeiten, Ideen auszutauschen, voneinander zu lernen und gemeinsam kreative Lösungen zu entwickeln. Dies fördert soziale Kompetenzen wie Kommunikation, Zusammenarbeit und Respekt.
Das Experimentieren mit Materialien bietet den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ihre kreativen, kognitiven und sozialen Fähigkeiten zu entwickeln. Es unterstützt ihre persönliche Entfaltung, fördert die Neugierde und Eigeninitiative und trägt zur ganzheitlichen Bildung bei.
Literatur und Links zu Material
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